2016年 4月 28日
Geschrieben von Ronald Boumans
Die Trilog-Sitzungen, wie die Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Europäischen Rat und der EU-Kommission über neue Vorschriften für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika genannt werden, dauern bis heute an. Wie in meinem Blog-Beitrag vom Dezember 2015 angemerkt, wurden bisher abgesehen von Gerüchten keine Ergebnisse veröffentlicht. Das bedeutet, dass wir annehmen können, dass über alle Vorschläge weiter verhandelt wird. Bis ein endgültiges Dokument vorliegt, bleiben die genauen Vorschriften Spekulation.
Expertenschätzung
Auch ohne diese endgültigen Dokumente und Details ist jedoch das Gesamtbild klar: Konformitätsbewertungen werden komplizierter ablaufen, es werden mehr klinische Daten zum Nachweis der Konformität benötigt, die Überwachung nach der Markteinführung muss strengere Anforderungen erfüllen, und das Management von Daten wird eine wichtigere Rolle spielen.
Für IVD-Hersteller bedeutet das, dass viele ihre Produkte nicht mehr selbst zertifizieren können. Für die meisten IVD wird die Zertifizierung durch eine Benannte Stelle benötigt. Das bedeutet, dass die Qualität der technischen Dokumentation einer externen Prüfung standhalten muss, und der Leistungsnachweis muss ebenfalls höhere Anforderungen erfüllen.
Hersteller von Medizinprodukten werden ihre aktuell zugelassenen Produkte neu zertifizieren müssen, auch wenn sie bereits seit Jahren ohne größere Probleme auf dem Markt sind. Die derzeitigen klinischen Daten, die sich auf „Vergleichsprodukte“ beziehen, können nutzlos werden, da ein solcher Vergleich auf fast identische Produkte beschränkt wird. Davon abgesehen muss die Leistung des Produkts anhand klinischer Daten vom Produkt selbst nachgewiesen werden. Deshalb werden bei vielen Produkten neue klinische Studien erforderlich sein.
Bedenken
Es gibt derzeit 61 akkreditierte Benannte Stellen. In einem RAPS-NL-Meeting, das vor Kurzem stattgefunden hat, gab es Gerüchte, dass die Datenbank der EU-Kommission für Benannte Stellen, NANDO, nicht auf dem neuesten Stand ist, und dass es derzeit nur 41 Benannte Stellen gibt. Es ist derzeit nicht möglich, eine Bestätigung darüber zu erhalten, welche Benannten Stellen sich auf die neuen Vorschriften vorbereiten, und welche ihre Aktivitäten für die Medizinproduktebranche einstellen werden. Das bedeutet, dass manche Hersteller sich plötzlich auf die Suche nach einer neuen Benannten Stelle machen müssen.
Darüber hinaus entwickelt sich jedoch noch ein größeres Problem. Die europäischen Behörden stellen gerade Teams von Auditoren zusammen, die die Benannten Stellen in Bezug auf die neuen Vorschriften akkreditieren sollen. Es wird geschätzt, dass diese Teams nach der Veröffentlichung der neuen Verordnungen sechs Monate brauchen werden, um sich auf die Akkreditierung vorzubereiten. Danach können diese Teams ca. 17 Benannte Stellen pro Jahr während der verbleibenden Übergangsfrist von 2,5 Jahren akkreditieren. Die Rechnung ist klar: Es wird für viele der Benannten Stellen schwer werden, rechtzeitig akkreditiert zu werden, um Hersteller nach den neuen Verordnungen zu zertifizieren zu können, sobald diese in Kraft treten.
Bedeutet das, dass Hersteller bei der Zertifizierung ihrer Produkte vor langen Wartezeiten stehen? Vielleicht nicht ... Es besteht die Möglichkeit, dass die betroffenen Hersteller noch länger brauchen werden, um sich auf die Zertifizierung vorzubereiten und die benötigten klinischen Daten zu sammeln, dass der erwartete Antrag bei Zertifizierungsanträgen über einen größeren Zeitraum verteilt wird. Wie oben angemerkt, werden mehr klinische Studien durchgeführt werden müssen, um die Sicherheit und Leistung der Produkte nachzuweisen. Hierbei wird wohl die größte Herausforderung sein, ein geeignetes Prüfzentrum zu finden, das für solche Prüfungen noch Kapazitäten frei hat. Hersteller, die versuchen, ihre Produkte auf dem chinesischen oder indischen Markt einzuführen, können vielleicht die Ergebnisse dieser klinischen Studien einsetzen. Diese Alternative ist jedoch möglicherweise nicht für alle Produkte realisierbar.
Davon abgesehen sollte die europäische Datenbank für Medizinprodukte Eudamed hierbei eine wesentliche Rolle spielen. Obwohl ich optimistisch bin, dass Eudamed rechtzeitig einsatzbereit sein wird, weiß ich, dass die Datenbank bisher eine schlechte Erfolgsbilanz aufweist. Der Sprung von 33 Benutzern (Mitgliedstaaten, EEA und EU-Kommission) auf 50.000 oder mehr (Mitgliedstaaten, Wirtschaftstreibende, Bürger ...?) ist gewaltig, und die Mutationsrate der Daten könnte sich um das 50- bis 100-Fache erhöhen. Dies ist eine große Herausforderung in Bezug auf das Datenmanagement.
Zusammengefasst ergibt dies ein bedenkliches Bild: Die Benannten Stellen werden nicht rechtzeitig vorbereitet sein, Hersteller werden über keine ausreichenden klinischen Daten verfügen, und deshalb werden Standardtherapien plötzlich nicht mehr verfügbar sein. Und all dies kann geschehen, auch wenn es bei Eudamed keine größeren Probleme gibt. Das kann in weiterer Folge dann zu wesentlichen Innovationshindernissen auf dem europäischen Markt führen. Europäische Patienten werden möglicherweise einen hohen Preis für das bezahlen, was der Verbesserung der Qualität und Sicherheit von Medizinprodukten dienen sollte.
Die Temperatur des Essens
Es gibt den Spruch: „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“ Anders ausgedrückt sollten wir uns nicht zu viele Gedanken über das Schlimmste dieser Szenarien machen. Was geschieht, wenn nach zwei Jahren in der Übergangsperiode klar wird, dass viele Produkte nicht rechtzeitig zertifiziert werden können? Ich bin sicher, dass die Politiker hier mit passenden Regelungen eingreifen werden, um die Probleme in der Übergangsperiode zu reduzieren. Möglicherweise werden Gesetze zum Bestandsschutz für klinische Daten für seit langem eingesetzten Produkten erlassen. Zertifizierungen könnten verlängert werden. Die EU-Auditorenteams könnten vergrößert werden. Und das Eudamedprojekt scheint plötzlich zusätzliche Finanzmittel erhalten zu haben. Ich bin sicher, dass bei Engpässen Politiker angemessene Regelungen erlassen werden, damit sie ihren Wählern nicht erklären müssen, warum lebensrettende Behandlungsmethoden plötzlich aufgrund von Formalitäten nicht mehr verfügbar sind.
Fazit
Die Branche steht vor einer großen Herausforderung. Wir sollten jedoch nicht verzweifeln, denn letztendlich wollen wir alle das Gleiche: dass die Patienten die bestmögliche Behandlung erhalten. Es ist daher in niemandes Interesse, wenn ein sicheres und wirksames Medizinprodukt aus dem europäischen Markt genommen wird. Und natürlich werde ich Ihnen umgehend mitteilen, wenn der Pragmatismus die Oberhand gewinnt.
Ronald Boumans ist ein leitender globaler regulatorischer Berater in der Emergo-Niederlassung in den Niederlanden und war vorher als leitender Inspektor der niederländischen Gesundheitsaufsichtsbehörde tätig.