2016年 6月 27日

Geschrieben von Ronald Boumans

In einem Referendum haben die Bürger des Vereinigten Königreichs am 23. Juni überraschend entschieden, aus der Europäischen Union auszutreten. Viele Medizinprodukte-Unternehmen – innerhalb und außerhalb des Vereinigten Königreichs – sind unsicher, welche Folgen diese historische Entscheidung für die im Land vertriebenen Medizinprodukte und IVD haben wird. 

Die oberste Medizinprodukte-Behörde des Vereinigten Königreichs – die MHRA – hat eine Erklärung abgegeben, in der die Behörde meint, dass sie wie gewohnt ihre Aufgaben erfüllen wird. 

Brexit impact on medical device companies

Im derzeitigen regulatorischen Rahmenwerk müssen die Unternehmen, die Medizinprodukte im Vereinigten Königreich vertreiben, die europäische Medizinprodukte-Richtlinie, die IVD-Richtlinie oder die Richtlinie zu aktiven implantierbaren Geräten erfüllen. Benannte Stellen mit Sitz in Großbritannien müssen diese Richtlinien ebenfalls erfüllen. Außerdem gibt es autorisierte Repräsentanten mit Sitz in Großbritannien, die Herstellern aus Nicht-EU-Ländern Zugang zum europäischen Markt geben. Großbritannien hat zusammen mit 27 anderen EU-Ländern (sowie Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz) alle diese Richtlinien in nationale Gesetze umgesetzt. 

Was hat sich jetzt geändert? 

Derzeit hat sich in Bezug auf Medizinprodukte und IVD noch nichts geändert. Die Briten haben dafür gestimmt, die EU zu verlassen. Nun muss die britische Regierung diese Empfehlung berücksichtigen. Der britische Premierminister hat seinen Rücktritt angekündigt, da er nicht gegen den Strom schwimmen will. Der Nachfolger wird bald bestimmt, aber es ist nicht klar, ob diese Wahl durch eine Wahl eines neuen Parteivorstands durch die Mitglieder der konservativen Partei oder durch allgemeine Neuwahlen erfolgt. Eines ist jedoch klar: bis zum endgültigen Austritt bleiben die britischen Gesetze vollständig an den europäischen ausgerichtet und Produkte, die die CE-Kennzeichnung tragen, können frei über den Kanal bewegt werden. Die möglichen Optionen für die Zukunft können folgendermaßen zusammengefasst werden.

Was geschieht, wenn Großbritannien austritt? 

Die Folgen in Bezug auf Medizinprodukte und IVD müssen in einer breiteren Perspektive betrachtet werden. Die CE-Kennzeichnung ist direkt mit dem Konzept des europäischen Binnenmarkts mit freiem Personen- und Warenverkehr verknüpft. Hierzu ist es notwendig, dass alle Mitgliedstaaten die europäischen Gesetze auf ihrem Hoheitsgebiet umsetzen. Die zwei Hauptargumente für einen Austritt betrafen von einer überstaatlichen Organisation erlassene Gesetze und den freien Personenverkehr innerhalb der Union. Das Vereinigte Königreich hat nun anscheinend vier Optionen nach einem EU-Austritt:

  1. Teilnahme an der EFTA oder am EWR, ähnlich wie z. B. Norwegen oder die Schweiz. In beiden Fällen bleibt der freie Warenverkehr mit CE-Kennzeichnung für die jeweiligen Produktkategorien erhalten, obwohl es wahrscheinlich Einschränkungen beim freien Personenverkehr geben wird. Benannte Stellen und autorisierte Repräsentanten können weiterhin vom Vereinigten Königreich aus agieren. Dies bedeutet auch, dass den Briten viele europäische Gesetze auferlegt werden, obwohl die Briten über diese Gesetze nicht abstimmen können.
  2. Einrichtung einer gemeinsamen Vereinbarung nur für Medizinprodukte, wobei Produkte mit CE-Kennzeichnung frei im Vereinigten Königreich vertrieben werden können. Dies erfordert die Umsetzung einer geringeren Anzahl von europäischen Gesetzen. Außerdem müssen britische Unternehmen einen autorisierten Repräsentanten ernennen, der die Produkte in Europa vertreibt, und umgekehrt. Abhängig von den ausgehandelten Bedingungen kann es sein, dass Benannte Stellen und autorisierte Repräsentanten weiterhin vom Vereinigten Königreich aus agieren können, obwohl es einige Hindernisse im Vergleich zur ersten Option geben kann.
  3. Handel mit Europa im Rahmen einer Sondervereinbarung. Dies kann am besten mit der aktuellen Situation zwischen den USA und Europa verglichen werden, wobei es bestimmte Gesetze gibt, die Herstellern dabei helfen, ihre Produkte auf dem jeweils anderen Markt zu vertreiben. 
  4. Handel mit Europa im Rahmen der allgemeinen Welthandels-Vereinbarung. Dies ist die Option, in der die wenigsten nicht-britischen Gesetze umgesetzt werden müssen. Dies bedeutet aber auch, dass ein Markteintritt mit zusätzlichem Aufwand und zusätzlichen Kosten verbunden ist. Diese Option scheint am wenigsten attraktiv für alle zu sein.

Welche Option?

Für Emergo scheinen die Optionen 1 und 2 die besten für die Medizinprodukte-Branche, da die Optionen 3 und 4 die britische Industrie effektiv außerhalb Europas positionieren würden. Die ersten zwei Optionen sind vermutlich auch diejenigen, die die meisten der Beteiligten bevorzugen, obwohl diese Optionen vielleicht nicht das sind, was sich die Briten bei der Abstimmung vorgestellt haben. Sollte die Option 1 oder 2 gewählt werden, kann erwartet werden, dass der Übergang zur neuen Medizinprodukteverordnung gleichzeitig mit dem Rest Europas erfolgt. Unabhängig davon, welche Option gewählt wird, bleiben die Auswirkungen für die Medizinprodukte-Branche und damit verbundene Institutionen, wie Benannte Stellen, und auch das Ansehen der MHRA negativ. Die Auswirkungen auf Investitionen in der Branche können ebenfalls negativ sein, obwohl das Beispiel der Schweiz das Gegenteil illustriert. Viele Unternehmen können Irland als Standort für ihre Fertigungsanlagen noch stärker als bisher bevorzugen.

Im Rahmen von Option 2 könnte die MHRA einige spezifische Gesetze umsetzen, die nur für das Vereinigte Königreich gelten, aber das grundlegende Zulassungsverfahren würde mit dem für die EU im Wesentlichen identisch sein. Australien (das eine Vereinbarung mit der EU hat) verfügt über ein ähnliches regulatorisches Rahmenwerk. 

Wann?

Das ist die große Frage: Wann wird das Vereinigte Königreich eigentlich aus der EU austreten? Niemand weiß das derzeit. Genaueres werden wir vermutlich im Oktober erfahren, wenn das Vereinigte Königreich einen neuen Premierminister bestellt, der bzw. die entscheiden muss, Artikel 50 (PDF) des Vertrags von Lissabon umzusetzen. Dies ist das Verfahren, durch das ein Mitgliedstaat aus der EU austreten kann, wobei innerhalb einer sehr kurzen Frist von zwei Jahren alle Details und zukünftige Beziehungen geregelt werden müssen. Es wurde spekuliert, dass die Briten versuchen werden, die Umsetzung von Artikel 50 zu verzögern, um zusätzliche Zeit für Verhandlungen zu gewinnen. Es scheint jedoch, dass andere EU-Mitgliedstaaten dem entgegengetreten sind, indem sie erklärt haben, dass sie keine Verhandlungen beginnen werden, bevor der Prozess nach Artikel 50 begonnen hat.  Einige EU-Rechtsexperten spekulieren jedoch, dass die zweijährige Frist auf 5 oder gar 10 Jahre ausgedehnt wird, deshalb ist das Brexit-Austrittsdatum derzeit reine Spekulation. 

Bis zum Austritt gelten die EU-Medizinproduktevorschriften auch weiterhin im Vereinigten Königreich. Dies umfasst auch Gesetzesänderungen. Im Rahmen der Option 1 oder 2 sollte es keine wesentlichen Probleme geben, da Gesetzesänderungen wie in allen anderen Mitgliedstaaten gehandhabt werden. Sollte das Vereinigte Königreich die Option 2 oder 3 wählen, kann es sein, dass der formale Austritt zur gleichen Zeit wie das Inkrafttreten der neuen EU-Medizinprodukteverordnung (Anfang 2020) erfolgt. Bis zum offiziellen Austritt muss das Vereinigte Königreich jedoch die EU-Vorschriften anwenden. Es ist wahrscheinlich, dass Übergangsvereinbarungen in Bezug auf die CE-Kennzeichnung getroffen werden. 

Die Zukunft für Medizinprodukte-Unternehmen 

Es ist offensichtlich, dass die EU-Austrittsverhandlungen mit der neuen Regierung im Oktober 2016 beginnen werden. Bis dahin könnten sich die anderen EU-Mitgliedstaaten darauf geeinigt haben, wie die Situation zu handhaben ist.

Man muss hierbei bedenken, dass das Vereinigte Königreich trotz einer florierenden lokalen Branche sehr viele Medizinprodukte importiert. Aus wirtschaftlichen Gründen und Gründen der Patientenversorgung ist es wichtig, zukünftige Importe wichtiger Medizintechnologie in das Vereinigte Königreich sicherzustellen. Die MHRA und die Regierung des Vereinigten Königreichs werden deshalb sicher einen dementsprechenden Plan ausarbeiten. Derzeit gibt es jedoch mehr Fragen als Antworten zum Thema. 

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Über den Verfasser:

Mag. Ronald Boumans ist leitender regulatorischer Berater in Emergos Niederlassung in Den Haag. Er war vorher als leitender Inspektor für Medizintechnologie der niederländischen Gesundheitsaufsichtsbehörde (IGZ) tätig. Zu seinen Kernkompetenzen zählen die europäischen Medizinproduktevorschriften, die Überwachung von Zuständigen Stellen und die CE-Kennzeichnung.

作者

  • Ronald Boumans

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